Samstag, 8. Dezember 2012

Wird Ehrlichkeit überbewertet?

Klingt sehr philosophisch, oder? Irgendwie ist es das auch, denn das läßt sich nicht pauschal beantworten. Wer sollte wann zu wem ehrlich sein? Wenn man ehrlich ist, dann bringt einem Ehrlichkeit meistens nur Probleme. Einige Beispiele:

Fall 1: Ich sage einer sich gerade in Trennung befindlichen sehr guten Freundin (dachte ich zumindest), dass ihre Forderungen an ihren Ex in spe gerade etwas überzogen sind und ich der Meinung bin, dass das nicht nötig ist und ihn das ins Chaos stürzen wird, während sie bereits einen neuen Freund hat, in dessen Haus sie in Kürze einziehen wird. Resultat: Sie meidet offensichtlich den Kontakt mit mir. Als ich noch "auf ihrer Seite war" hatten wir regelmäßig Kontakt.

Fall 2: Eine sehr gute Freundin macht mir unmissverständlich klar, dass ich dringend mein Liebesleben in andere Bahnen bekommen muss, da ich sonst ewig unglücklich sein werde. So weit so gut. Aber muss man diese Wahrheit an den Kopf bekommen, wenn man sowieso gerade aus tausend Gründen deprimiert am Boden ist und sie das genau weiß? Und dann auch noch von jemandem, dessen Liebesleben ich alles andere als glücklich oder erstrebenswert finde? Ich war kurz davor auch "unsensibel ehrlich" zu werden, zog es dann aber vor nach Hause zu gehen. Zu mal sie nur bedingt Recht hatte und ich nicht einmal sagen kann "Sie hat ja eigentlich Recht und ich muss mich dieser Tatsache stellen".

Fall 3: Hier kann ich noch weniger ins Detail gehen, aber sagen wir einfach mal, es gibt da jemanden, in den ich mich ein wenig verliebt habe. Sie hat allerdings schon länger einen Freund. Diese Beziehung hatte zwar die letzten Jahre einige Problemchen zu bewältigen und ich habe auch nicht das Gefühl, dass das funktionieren wird, aber sie ist nun einen riesigen Schritt auf ihn zugegangen um ihre Beziehung zu festigen. Sollte ich hier ehrlich sein und ihr meine Gefühle mitteilen?

Fall 4: Unsere Firma muss leider eine recht große Anzahl Mitarbeiter entlassen und auch ich mußte eine  "Casting-Liste" für mein Team erstellen, wer was kann und mit wem ich die Zukunft planen möchte. Natürlich habe ich dazu konkrete Vorstellungen, aber kann ich darüber mit den Mitarbeitern ehrlich und offen sprechen? Davon abgesehen, daß ich das natürlich nicht darf. Aber selbst wenn? Wäre es fairer? Würde es irgendjemandem einen Vorteil bringen?

Ich finde bei allen 4 Fällen ist das mit der Ehrlichkeit irgendwie nach hinten losgegangen, bzw, würde nach Hinten losgehen. Aber sollte man deshalb auf Ehrlichkeit verzichten und es wie der "Klischee-Ami" machen und immer nur schön lächeln und winken? Ich denke nein. Das ist auch keine Lösung. Ehrlichkeit muss Möglich sein und auch wenn man sich gegenseitig verletzt oder streitet, wird danach die Ehrlichkeit eine Freundschaft stärken. Auch wenn es eine Phrase ist: In einer Freundschaft muss man sich die Wahrheit sagen können. Wenn das nicht geht, nenne ich es nicht Freundschaft, sondern Bekanntschaft.

Ich teste das auch ganz gerne ab und zu, wenn ich mir nicht sicher bin, ob es sich wirklich um Freunschaft handelt oder eher eine Bekanntschaft ist. Ich spreche dann ganz gerne ein kritisches Thema an und beobachte die Reaktion. Natürlich kommt dann auch oft die Retourkutsche, aber da muss ich dann durch.

Vielleicht fragt sich jetzt jemand, wie ich denn mit der Wahrheit klarkomme, die mir an den Kopf geknallt wird? Natürlich reagiere ich auch oft verletzt oder sauer. Allerdings werfe ich nie dem Gegenüber vor, daß er/sie mir gegenüber ehrlich seine Gedanken mitteilt. Wenn ich dann aber über die Sache nachgedacht habe und der Meinung bin, daß es einfach nicht wahr ist, bin ich schon etwas enttäuscht und sollte das Gespräch wieder suchen. Das tue ich nicht immer, da ich keine Lust habe mich zu rechtfertigen. Ich weiss dann ja, daß es nicht wahr war! Wenn ich dagegen merke, daß mir die Wahrheit gesagt wurde, dann nehme ich das durchaus ernst.

Eine Ausnahme ist sicherlich der Job. Hier muss man natürlich aufpassen wemm man wie viel Ehrlichkeit zumutet...

2 Kommentare:

  1. Ich habe dir nicht "unmissverständlich klar gemacht, dass...", ich habe dir lediglich eine hypothetische Frage gestellt auf die augenscheinlich ein Art Erkenntnis deinerseits folgte, die du wohl lieber ausgeblendet hättest. Ich habe dir darüberhinaus auch nichts "an den Kopf" geworfen. es ging mir auch nicht darum "recht" zu haben oder mein "unglückliches und wenig erstrebenswertes" Liebesleben mit deinem zu vergleichen und mir die Hände zu reiben.

    Was mich ein wenig irritiert ist, dass ich in der Tat dachte, dass du deine Meinung zu meinem Liebesleben immer ehrlich kundgetan hast und ich deine Meinung, wenn ich sie auch nicht immer geteilt habe, doch respektiert habe. Jetzt frage ich mich, was ich denn wohl gehört hätte, wenn du "auch ehrlich" gewesen wärst? Irgendetwas, was ich noch nicht weiß oder mir noch nicht selbst vor Augen geführt habe?

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    1. Meine Beschwerde galt eigentlich der Tatsache, dass ich bereits angekündigt hatte, dass es mir nicht gut geht. Und wenn man sich scheiße fühlt, will man bestimmt nicht unbedingt einen Spiegel vors Gesicht gehalten bekommen. Das fand ich etwas unsensibel. Hab ich Dir aber auch gesagt und Du hast Dich auch entschuldigt, was ich wiederum angenommen habe. In meinem Post gehts ja auch darum, dass Ehrlichkeit in manchen Situationen nicht unbedingt hilfreich ist. Das war es in diesem Moment auch nicht. Und doch, Du hast Dein Liebesleben als Vergleich herangeführt. Mehrfach.

      In dem Moment hätte ich Dir in der Tat eine "erweiterte" Wahrheit an den Kopf geschmissen. Nichts, was ich Dir nicht schon gesagt hätte, aber vielleicht etwas unsensibler und direkter. Eben so, wie ich in dem Moment Deine Ehrlichkeit empfunden habe. Aber das werde ich jetzt nicht über den Blog diskutieren. Darüber unterhalten wir uns bei unserem nächsten Treffen gerne nochmal... :-)

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