Dienstag, 7. September 2021

Auf der verseuchten Insel: Tag 5

Nachdem ich eine echt miese Nacht hatte, war mir heute irgendwie nur noch nach Heimat zumute. Ich überlegte erst noch, ob ich nicht mal an die Docks fahren will, was ich eigentlich vor hatte, aber dann vergessen habe. Dann das nächste Mal…

Blöde Nacht, weil ich um 21:00 eingeschlafen bin, aber dafür um 3:00 irgendwann wach war. Dann konnte ich zwar meinen Blog für Tag 4 schreiben, aber gegen 5:30 war ich doch wieder müde und drehte mich nochmal rum. Allerdings nur bis 7:45 der Wecker klingelte, damit ich meinen (Coronabedingten) Frühstücks-Slot um 8:00 schaffte. Wahrscheinlich wäre das Wurscht gewesen, denn ich hab im Hotel nie mehr als 2 weitere Gäste außer mir gesehen. Aber ICH halte mich ja an Regeln. 

Nach dem Frühstück ging es ans packen, was mit reinem Handgepäck garnicht so einfach ist. Zumindest nicht mit einem Sack vol Schallplatten und Büchern. Auch Flüssigkeiten werden da zum Problem, da man seinen Kram ja nicht im Kulturbeutel im Koffer aufgeben kann. Es scheint mir ganz gut gelungen zu sein, aber der Trolley hat deutlich mehr als 8Kg. Mal sehen, ob das irgendwann zum Problem wird…

Pünktlich um 11:00 checkte ich aus und stiefelte los in Richtung Russell Square, wo die V-Bahn (Picadilly) zum Heathrow abfährt. Das war die andere Richtung, als ich sonst ging. Hätte ich mal vorher machen sollen, denn da war ein Film-Set um die Ecke aufgebaut. Hätte mich schon interessiert, was da gedreht wird. Das Gebäude ist ziemlich cool, oder?
















Dann setzte ich mich gechillt in die V-Bahn nach Heathrow. Die Fahrzeit von ca. 1 Stunde war schnell rum und der MQ war wieder fast bei 100 (die 2 gegenüber und die 2 links trugen auch Maske). Scheinbar nehmen die Touristen das Thema ernster als die Einheimischen. 🤔





Ich dachte ja, wegen dem ganzen Covid Mist kann es nix schaden, früher am Flughafen zu sein. Das hab ich jetzt davon. Ich war um 12:20 durch die Security durch und jetzt sitze ich hier rum. Boarding ist um 15:00, Abflug 15:30. ich sitze jetzt in einem netten Pub am Flughafen und hatte einen leckeren Burger und ein gutes Bier. Mal sehen, wann die mich rausschmeißen, weil ich hier nur rumtippe. Aber hier darf ich ohne Maske sitzen, was sonst im Flughafen tatsächlich nicht geht. Der vermutlich sicherste Ort in ganz London ;-)



Falls nix Aufregendes mehr passiert, bin ich entweder eingeschlafen oder inzwischen wieder zu Hause.

Fazit am Ende: Das Konzert war es mir Wert, mich in das Seuchengebiet zu wagen, aber „nur so“ würde ich aktuell ganz klar abraten nach London zu reisen.

Nee, Aufregendes ist nix noch nix passiert, aber mir ist langweilig. Mein Gate wird erst in einer Stunde bekanntgegeben, Gegessen hab ich schon, Whisky Angebote sind auch gecheckt und alle örtlichen Pokémons sind gefangen. Hab auch einen Letarking in eine Arena mit einem Aquana am Flughafen gesetzt. Der kommt dann nach. Hoffentlich hat er einen Impfpass und einen Reisepass dabei… 🧐🤔




Jetzt hocke ich hier rum. Ich verstehe die Logik allerdings nicht. Bekanntgabe Gate um 14:50, Boarding ab 15:05, Abflug 15:30. Wenn die hier genauso lange brauchen für die Corona-Kontrollen wie in FRA, dann ist die Verspätung vorprogrammiert. Und es kann nicht an hohem Verkehrsaufkommen liegen. Ich hab selten einen leereren Flughafen gesehen. Irgendwie fühle ich mich grad wie kurz vor der Zombie-Apokalypse. Und keiner ahnt etwas. Außer mir. Ich halte schon Ausschau nach möglichen Verstecken wenn es los geht…



Mir ist übrigens im nachhinein aufgefallen, dass ich kaum deutsche Touris gesehen und gehört habe. Da ist das Vertrauen in die Engländer wohl (berechtigterweise) nicht so besonders ausgeprägt. Stattdessen laufen viele Osteuropäer und Russen rum. Und Spanier (oder Mexikaner) hab ich einige gehört.

Vielleicht waren die nuttig aufgetakelten Tussis in der Charlotte Street ja auch gar keine aufgetakelten englische Tussis, sondern osteuropäische Nutten? 🤭🤔🙈

Einen hab ich noch: Jetzt hätte ich mich gefreut, noch ein bisschen zum Gate laufen zu müssen um Zeit totzukriegen, da macht das Gate für meinen Flug exakt gegenüber meines Warteplatzes auf. Verrückt. Wenn ich zu spät gewesen wäre, wäre das Gate bestimmt im Untergeschoss des Nebengebäudes gewesen. Oder im Obergeschoss. Und die Rolltreppe kaputt…



Dafür liebe ich die Engländer wieder: Jetzt haben die vorab alle aufgerufen, die nur einen Online-Checkin gemacht hatten (so wie ich). Alle anderen wurden bereits beim Checkin gecheckt. Und diese kleine Schlange haben jetzt 2 Jungs mal eben schnell gecheckt. Und zwar mit einem Zettel und der Sitznummer. Das ging ratzfatz. Da hätten sich die Kollegen in FRA mal ein Beispiel nehmen können…

OK, einen Haken gab es noch: Die First/Business Class Passagiere fühlten sich wohl nicht angesprochen und hielten das Boarding nochmal auf. Auch, weil ein paar nicht geimpft waren und weil ein paar irgendwelche Stofflappen im Gesicht hatten. Blödes elitäres Pack. Dafür hab ich beim Durchlaufen der elitären Plätze zweimal gepubst. Ätsch…

Übrigens gabs in der Schlange jetzt auch den ersten „Erzieher“, der einen Mitreisenden auf die korrekte Nutzung der Maske hinwies. Nämlich über die Nase. Unnötig zu erwähnen, dass der Erzieher ein Deutscher war 😉

Auf der verseuchten Insel: Tag 4

Heute nach dem Frühstück klopfte es an meiner Tür: Mein „Tag2 Test“ ist da. Am Tag 4. Naja, wahrscheinlich interessiert es hier eh niemanden in England. Wenn doch, wäre ich sehr überrascht, denn in der Praxis interessiert sich hier niemand für die Einhaltung irgendwelcher Regeln. Selbst wenn es welche gibt. Aber nicht schon wieder dieses Thema…

Ich hab den Test brav gemacht und eingesendet. Da es nun direkt nach dem Spreader-Event im Roundhouse stattfand, hoffe ich mal auf die Wirksamkeit der Impfung und der Maske. Das Ergebnis erhalte ich dann ja erst zu Hause.






Danach begann ich einen gechillten Tag. Als erstes ging es zu Fuß in die Berwick Street zu 2 der wenigen noch heute existierenden Plattenläden aus den goldenen Achtzigern: Sister Ray und Reckless. Ein par wenige „sehr spezielle“ Platten hab ich dann auch noch gekauft. 







Ich hab mich dann in irgendeinen leeren Bus gesetzt und bin mal losgefahren. Nachdem ich ab dem Picadilly Circus eigentlich nur noch im Stau stand und dann der Bus immer voller wurde, änderte ich meinen Plan: Ich wollte ans Wasser und dort was trinken. Da in London bekanntermaßen ein Fluss durchfließt, sollte das ja nicht so schwierig sein, oder? Oder doch! Irgendwie gibt’s am Themse-Ufer zwar Autobahnen, Schulen, Museen, Hochhäuser, Riesenräder, Kirchen, Brücken, Piers, Alte Gemäuer und zugepflasterte Plätze, aber Cafés? Fehlanzeige. Wenn überhaupt, dann eher auf der Südseite. Da wurde ich dann auch fündig. Interessanterweise übrigens genau dort, wo wir 2018 auch gelandet waren. Kann das Zufall sein? Oder eher ein Mangel? Vielleicht sollte ich ein Café an der Themse aufmachen…

































Wahrscheinlich hätte ich etwas mutiger sein sollen und mich weiter in den Osten der Stadt vortasten müssen. Aber irgendwie hatte ich da alleine keine Lust zu. Apropos Lust: Nach dem leckeren Bier bekam ich Lust auf eine neue Jacke und nostalgische Gefühle für Camden. Ich fuhr also nochmal nach Camden, um bei 28° nach einer Jacke zu suchen. Zum Glück fand ich keine, denn die hätte ich Morgen bei 30° bei der Heimreise anziehen müssen. Ich hab ja nur Handgepäck und das sprenge ich wahrscheinlich bereits mit Platten und Büchern. 😬🙈🤔











Hier waren übrigens früher die coolen Stände unter Wellblechdächern. Es roch nach Gras, selbstgemachter Seife und Räucherstäbchen. Man hörte Punk, Sithars, Didgeridoos, Reggae, später Goa-Techno. Kaufen konnte man selbstgebastelte Lampen, Schmuck, Klamotten, Mixtapes, Bootlegs und allerlei Krimskrams. Heute gibt’s hier im stylischen Neubau einen Starbucks, Sushi, vegane Burger, Cocktails, Designermode, Schmuck in Glasvitrinen, Kunstdrucke hinter Glas, „lustige“ T-Shirts aus China und einen Sicherheitsdienst… Tolle Weiterentwicklung!






Zurück zu Hause ging ich essen. Bei einem Griechen, dessen Konzept interessant klang. Ähnlich wie im Ela in Darmstadt werden eine Art „Tapas“ angeboten. Allerdings war es nicht so toll. Fettiges Fleisch, Saganaki ist hier in Honig gebackener Halloumi (also Gummi) und das griechische (zypriotische) Bier hat scheiße geschmeckt. Und im Tzaziki war nicht mal Knoblauch. Das schickt sich wohl auf der feinen Carlotte-Street nicht. Ich hab diesem Fraß nicht mal 1 Byte auf meinem iPhone gegönnt. Ich habe also kein Foto für euch. Apropos: warum schnecken sich englische Frauen eigentlich immer auf, als würden sie den Laufsteg oder den roten Teppich anpeilen, obwohl sie nur Essen gehen? Und dann sehen die meisten auch noch eher aus, als würden sie auf den Strich gehen, weil die Röcke viiiieeeeel zu kurz sind und das Make-Up viiiieeeel zu viel ist. Und dann treten die immer in Hühnerhaufen auf. Viiiieeel zu laut und peinlich.





Bin dann früh zurück ins Hotel, weil ich müde war. Hab ich schon erzählt, dass ich in meinem Puppenbett nicht gut schlafe? Bin ca. um 21:00 eingeschlafen und liege dafür jetzt seit 3:00 wach und schreibe Blog.



Vorteil eines rotzigen Single-Zimmers: Man macht sich keine Gedanken über Ordnung. Es gibt ja auch wegen Corona grad keinen Zimmer-Service. Auf einmal haben die Inselaffen doch eine Pandemie. Wenn sie Arbeit und Lohn sparen können…



Achja, heute ist was konisches passiert: In der V-Bahn von Camden ins Hotel war die MQ erstmals 100%!!!!
Wenn auch nur für 3 Stationen. Ich hab inzwischen auch verschiedene Ansätze für die Masken-Ignoranz:
  1. Eitelkeit. Bei dem MakeUp oder dem tollen Hipster-Bart versteckt man sich doch nicht hinter einer Maske 
  2. Nutzlosigkeit. Wenn, dann haben die meisten eh siffige Stofflappen im Gesicht, deren Wirkung gleich Null ist. Da denken sich wohl viele, dass man sich das eh sparen kann
  3. Beschaffungsprobleme. Ich habe hier in keinem einzigen Laden FFP2-Masken zu kaufen gesehen. Nachfrage regelt den Markt oder umgekehrt?
  4. Armut. Ich glaube tatsächlich, dass in London sehr viele Menschen leben, die es finanziell nicht einfach haben. Und dann wird die knappe Kohle eher in Bier, als in Masken investiert. Man hat eh nix zu verlieren.
  5. Dummheit. In London neigt man sehr zur Oberflächlichkeit. Da passt eine Pandemie nicht ins Weltbild. Rücksicht auf Gesellschaft? Welche Gesellschaft? Die Gesellschaft ist man selbst. Auch leben hier selten Generationen eng beieinander, sondern oft nur die Jüngeren.
  6. Liberalität. Hier läßt jeder jeden irgendwie in Ruhe leben wie er will. Ich habe keine einzige Grundsatzdiskussion oder Streiterei zum Thema Masken, Abstand oder Desinfektion erlebt. Jeder halt wie er meint.
  7. Evolutionär. London ist ein junge Stadt. Die Alten sind nicht schützenswert und die Jungen werden es überleben. Und wenn nicht, dann halt nicht. Natürliche Auslese wird hier als legitim erachtet.
Das sind teilweise Beobachtungen, aber auch Interpretationen von mir aus geführten Gesprächen und dem englischen Fernsehen (wo Corona quasi keine Rolle spielt).

Montag, 6. September 2021

Konzert 2021.02: Heaven 17/Human League

5.9.2021, Roundhouse, London (Camden)

Die Vorgeschichte bitte dem Post „Auf der verseuchten Insel: Prolog“ entnehmen. Dort erkläre ich die Besonderheiten des Konzertes.

Zunächst etwas Ballastwissen zur Location: Das Roundhouse diente früher als „Wendehalle“ für Lokomotiven. Die Drehscheibe befindet sich angeblich immernoch im Boden. Bin aber nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Ich hab zumindest nichts gesehen.

Eigentlich ist das Konzert schnell abgehandelt: es war exakt so wie erwartet. Es wurden komplett die beiden thematisierten Alben gespielt inkl. der Holiday‘80 EP. Mit einer Ausnahme auch ziemlich genauso wie auf den Platten. Die Ausnahme war ausgerechnet Being Boiled, was grundsätzlich die Version vom Album und Holiday‘80 war, aber wie Glen es beschrieb, in der Heaven 17 Version. Das beinhaltet „unechte“ Gesangseinlagen von Glen und den Mädels. War aber noch ok. Doof fand ich die Visuals bei dem Song, die merkwürdige Spielzeugsoldaten zeigten.

Ansonsten waren die Visuals passend zur Musik ziemlich gut. Die stammten übrigens vom Designer der alten Plattencover, der ganz im Stil vom damaligen Visualisten Adrian Wright, mit auf der Bühne stand und die Projektionen steuerte. Zu sehen waren viele Standbilder aus alten Filmen der 60er und 70er, sowie Grafiken im Retro-Future Style, was ja gut passt.

Zurück zum Sound. Auch wenn einiges von Band und Computer kam (Drums und Basis-Sequenzen) hatte Martyn einige alte Synths auf der Bühne, wie sie Human League seinerzeit verwendet hat. Unter anderem einen Jupiter 4 und ein System 100 von Roland. Geschätzt spielte er trotzdem ca. 80% der Sound über das Laptop als virtuelle Synths. Da ich die selbst gerne benutze, verstehe ich das gut. Es ist ein riesen Akt, alte Analog-Synthies auf die Bühne zu schleppen und stimmstabil über 2 Stunden zu bringen. Und Sounds abspeichern und wieder abrufen geht auch bei den meisten alten Dingern nicht. Ich fand die Mischung so sehr gut. Es waren nicht nur Laptop und ein Keyboard auf der Bühne, sondern einiges mehr. Auch die zusätzliche Keyboarderin fand ich wichtig, um mehr live spielen zu können.

Die beiden Sängerinnen haben mich am Anfang sehr irritiert. Human League waren bis zur großen Trennung 1980 eine reine Herrenrunde. Die beiden Sängerinnen (Susan und die spätere Frau von Phil Joanne) kamen erst danach zu Phil und Adrian. Dennoch waren die Mädels eine Bereicherung. Ihr Gesang war nicht sehr dominant, sondern sie hielten sich im Hintergrund und sangen die mehrstimmigen Parts hervorragend. 

Apropos Gesang: Natürlich wäre mir Phil Oakey lieber gewesen, aber selbst Glen Gregory wäre Phil Oakey lieber gewesen, wie er selbst erzählte. Insgesamt erzählte er einige Anekdoten von damals, als er noch Fan von Human League und Fotograf in Sheffield war. Martyn und Glen versuchten angeblich Phil für die Konzerte zu begeistern, aber scheinbar ohne Erfolg. Dazu würde ich gerne mal Phils Version hören. Auch zu ein paar anderen Stories, die erzählt wurden. Z.B., dass ursprünglich Glen als Sänger für Human League gedacht war und Phil nur wegen seiner Frisur das Rennen gemacht hat. Ich hörte nur, dass er Sänger wurde, weil er der schlechteste Keyboarder war. Auch, dass „Fascist Groove Thang“ der erste H17 Song (5 Tage nach Gründung) gewesen sein soll. Ich hätte eher auf „I‘m your money“ gewettet, was als erstes erschienen ist und auch noch sehr nach Human League klang… Aber ich schweife ab: Der Gesang von Glen war hervorragend wie immer und seine Stories und Wortwechsel mit Martyn sehr unterhaltsam. Die hatten Spaß auf der Bühne. Bei manchen Songs hat mir Phils Stimme aber doch gefehlt, da er etwas aggressiver und rotziger klingt.

Wenn ich etwas zu bemängeln habe, dann sind es die letzten beiden Zugaben „Fascist groove thang“ und „Temptation“. Vor allem „Temptation“ hat überhaupt nicht gepasst. Vor allem nicht in der Hardcore-Soul-Version, bei der die Mädels zeigen konnten, was sie können. Das war zwar in der Tat beeindruckend, aber mir hat es den Abschluss etwas versaut. Ich hätte lieber „I‘m your money“ gehört, das einzige Stück, das ich wirklich vermisst habe…

Top Gänsehaut-Momente waren:
Black Hit of space
Dream of leaving
Circus of death
Morale/Loving feeling (tolles Duett Glen & Martyn)
Marianne

Außerdem noch die tollen Worte von Glen gegenüber Phil Oakey und Ian Graig Marsh, ohne die das alles nicht entstanden wäre. Und auch an Adrian Wright.

Nachtrag: hab diese schöne Rezension gefunden: