Samstag, 6. Juni 2020

Wunsch ans Universum oder "Die Leiden des jungen Ballastwissenden"

Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal an einem 5. Juni erst 1 einziges Konzert im aktuellen Jahr besucht haben könnte. 2020 macht es möglich. Bis jetzt wurden etliche Konzerte verschoben. Darunter Pet Shop Boys, Boytronic, Marc Almond, Mokka Efti, Heaven 17/Human League, Propaganda, Kim Wilde und Howard Jones.

Das ist aber eigentlich das geringste Problem, denn das Jahr veranstaltet gerade ein Bullshit Bingo. Die aktuelle Top 5 der passenden Filmtitel:
  1. Mission Impossible: Jobsuche
  2. Denn sie wissen nicht was sie tun: Urlaub
  3. 6 feet under: Selbstständigkeit
  4. Ausnahmezustand: Freiberuflertum
  5. Kevin, allein zu Hause: Körperkontaktlosigkeit
OK, ich hatte eigentlich sowieso noch nicht vor schon wieder ernsthaft zu arbeiten. Ich wollte ja „runterkommen“ und mir Zeit nehmen für wirklich wichtige Dinge, wie ein Buch schreiben, Musik machen, meinen Online-Shop vorantreiben oder ein bisschen reisen. Irgendwie klappt das aber auch nicht so richtig, wenn man eine kreative Blockade hat und auch ansonsten den Arsch nur bedingt aus dem Bett bekommt. Und das auch nur bei schönem Wetter. Aber vor allem wollte ich mir darüber klar werden, was ich eigentlich in Zukunft machen will. Weiter Werbung? Wenn ja, Agentur oder Kunde? Fest oder frei? Oder eher Gastronomie? Wenn ja, mit wem? Oder doch alleine? Oder auswandern? Wenn ja, wohin? Und mit wem? Und was dort tun? All diese Fragen scheinen im Moment nur Theorie zu sein, denn nichts davon läßt sich aktuell planen oder vorantreiben.

Noch vor Corona begann ich mit meinem ersten Buch. Ich hatte ja mehrere komplett unterschiedliche Ideen und entschied mich dann für das vermeintlich einfachste Thema: Den Reisebericht über Schottland. Nach einer anfänglichen Euphorie, verließ mich der Mut allerdings schon vor Ende des ersten Kapitels. Wen würde mein Buch über meine Urlaube in Irland und Schottland interessieren? Zumal ich ja Namen abändern muss und trotzdem die interessantesten Nebengeschichten garnicht erzählen darf. Wahrscheinlich war es Zufall, dass diese Überlegung zeitgleich mit dem Virus kam.

Der Frust hat mich dann zwar immerhin zu meinem ersten Videoclip auf YouTube gebracht, aber die mäßige Resonanz darauf (außerhalb meines Freundeskreises) hat mich dann auch gleich wieder runtergezogen. Ähnlich wie bereits meine vorherigen Musikprojekte interessiert sich kein Schwein dafür. Nicht mal meine Freunde kennen meine Musik wirklich (mit wenigen Ausnahmen). Musik machen und veröffentlichen ist zwar heutzutage relativ einfach, aber durch die Masse, wird man nicht mehr gesehen. Dazu kommt, dass Musik ja nur noch per Stream "wegkonsumiert" wird und sich eigentlich kaum noch einer wirklich dafür interessiert. Und wenn doch, dann eigentlich nur für die alten Helden aus einer vermeintlich besseren Musikwelt. Und dabei gibt es noch massenweise gute Musik. Wahrscheinlich mehr als je zu vor, aber man findet sie nicht oder will sie garnicht finden. Dazu müsste man Zeit investieren und Geduld haben. Das funktioniert aber in Zeiten von 30 Sek. Clips und Scrollwheel nicht. Konzentration länger als 30 Sekunden? Das können wir nicht mehr...


Zum Zeitpunkt des Videodrehs, war ich der festen Überzeugung, dass der blöde Virus an allem Schuld ist. Vor allem an meiner sich anbahnenden Depression. Wegen ihm lief nix mehr:
  • Keine Konzerte
  • Keine Kreativität
  • Keine Stellenangebote
  • Keine Freelancer-Jobs
  • Keine Zukunftspläne 
  • Kein leckeres Essen gehen und nicht mal Kaffeeklatsch-Auszeiten
  • Keine Grillparties
  • Keine gemeinsamen Film/Fernsehabende
  • Kein Knuddeln mit meinen Liebsten
Dann irgendwann kam mir der Gedanke, dass meine miese Stimmung vielleicht garnicht am Virus liegt, sondern ich das nur als „Feindbild“ vorschiebe. Mein Wunsch war es, mehr Dinge tun zu können, für die ich die letzten Jahre keine Zeit hatte. Dieser Wunsch wurde erhört, denn wenn ich eins im Überfluss habe, ist es Zeit. Sogar das Arbeitsamt macht mir grad keinen Druck. Warum jammer ich denn dann so rum? Habe ich mir das Falsche gewünscht? Hätte ich mir besser mehr Zeit mit meinen Freunden gewünscht? Oder noch besser eine Partnerin? Oder wenigstens ein bisschen Sex? 

Werden alle Wünsche ans Universum so ernst genommen, wie meiner nach mehr Zeit? Oder nur die, die man sich wirklich wünscht? Merkt das Universum, was man sich am meisten wünscht oder pickt es sich einfach einen der vielen Wünsche raus und erfüllt diesen mal eben? Oder bekommt man den Wunsch erfüllt, den man am meisten braucht? Ist Zeit zu haben meine Bestimmung? Wenn ja, für was soll ich sie nutzen? Da sich für meine kreativen Dinge keiner interessiert, scheint mir das eine Verschwendung meiner Zeit zu sein. Sollte ich meine Zeit meinen Freunden widmen, denen ich damit sehr helfen würde? Oder ist das zu selbstlos? Soll ich die Welt retten mit meiner Zeit? Ich wüßte ja wie, aber mir hört ja keiner zu. Und selbst wenn, wäre das nicht ganz legal. Also nutze ich die Zeit um mir Gedanken darüber zu machen, wie ich meine Zeit am besten nutzen könnte...

Ich dachte übrigens, daß es ein toller Zeitvertreib sei, eine Corona-Website für meine Freunde zu erstellen, die keine Zeit haben den ganzen Tag den neusten Nachrichten hinterherzurennen und zu filtern. Ich dachte, es hilft, wenn ich das für sie tue und dann gefiltert und sortiert auf einer Plattform serviere. Nebeneffekt war natürlich, daß ich mich etwas mit WordPress beschäftigt habe und damit sogar meinen Arbeitsvermittler glücklich mache. Selbst hierfür interessierten sich nur exakt 2 Menschen und ich habe die Pflege der Seite weitestgehend eingestellt. Ich nutze die Seite jetzt als persönliche Linksammlung zum Thema Corona. Wen es interessiert, anbei der Link: Keine Panik

Meine persönliche Meinung zum Virus? Ich glaube, daß der Virus überbewertet wird und die Maßnahmen maßlos übertrieben sind. Ich halte die sozialen Folgen für Kinder, Einsame und Familien, sowie den wirtschaftlichen Kollateralschaden für ein größeres gesellschaftliches Problem, als das Risiko durch den Virus. Selbstverständlich kann man den Virus nicht ignorieren, aber meiner Meinung nach würde die Einhaltung "normaler" Hygiene-Standards (Hände waschen, nicht anniesen) kombiniert mit etwas Vorsicht beim Umarmen ausreichen. Da die Menschen dafür aber scheinbar zu dumm oder zu ignorant sind, ist das wohl keine Option. Aber ich bin weder Virologe, noch Soziologe, noch Politiker und meine persönliche Meinung ist tatsächlich nicht relevant.

Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft, die sich mit Hilfe einer demokratisch gewählten und verantwortungsvollen Regierung auf Regeln geeinigt hat, die dann auch halbwegs einzuhalten sind. Auch wenn das schwer fällt bei 0 Erkrankten in meinem Wohnort Darmstadt. Ich bin sicherlich kein Hygiene-Nazi, aber ich verstehe nicht, was daran so schwer ist, mal ein paar Wochen keine fetten Parties auf dem Landwehrkanal zu feiern oder einfach grundsätzlich mal in der Fußgängerzone oder im Supermarkt etwas Abstand zu Fremden zu halten. Mag sein, dass diese Ignoranten keine "Risikopatienten" im direkten Umfeld haben und deshalb meinen, dass sie der Virus nichts angeht. Vielleicht glauben sie das auch nur. Beides würde zu meinem allgemeinen (nicht sehr positivem) Bild der Menschheit passen und ich kann wirklich nur hoffen, dass irgendwann eine andere Spezies die Herrschaft über unseren hübschen Planeten übernimmt. Wo auch immer diese herkommen mag. Vielleicht wäre das mal einen Wunsch ans Universum wert...


Mittwoch, 5. Februar 2020

Konzert 2020.01: Real Life

1.2.2020; Das Bett; Frankfurt

Nachdem ich Real Life, bzw. das was davon noch übrig ist (Sänger David Sterry), letzten Sommer beim 80er-Festival in Bochum gesehen hatte, war klar, dass ich auf jeden Fall zu einem Konzert von ihm gehen will. Er konnte damals mit Human League, Midge Ure, Propaganda und den Thomson Twins gut mithalten und war auch nicht der schwächste Act. Mir wurde danach auch wieder bewußt, dass das erste Real Life Album „Heartland“ damals (1983) bei mir rauf und runter lief. Bis Heute eins der besseren 80er Alben, dass ich ähnlich bewerte wie „Forever Young“ von Alphaville oder „Quartet“ von Ultravox. Komischerweise habe ich die Band dann etwas aus den Augen verloren und war nun überrascht, dass es 6 Alben von Real Life gibt und sogar eine Woche vor der Tour eine neue EP erschienen ist (die sehr gut ist). Leider sind nicht mehr alle alten Alben erhältlich und mir fehlen noch 2. 

Nachdem sich die Band nach dem 3. Album Lifetime trennte, wendete sich Sänger David Sterry eher dem moderneren Synthpop mit EBM-Einfluss zu. Da ich das ja auch mag, war ein Konzert auf keinen Fall ein Risiko. Schon garnicht, da die Tour als „Send me an angel“ tituliert war. Das ließ auf eine Best-of-Setlist hoffen. Außerdem bestand kein Risiko, daß es ein Rock-Konzert wird, was für mich ja schonmal die halbe Miete ist.

Es kam alles wie gewünscht. Das Lineup waren 2 Keyboarder, 1 Drummer (inkl. Original sechseckiger Simmons-Drums) und Sänger David, der auch Gitarre spielte. Entsprechend war auch die Umsetzung: sehr authentisch und perfekt. Vor allem gefiel es mir sehr gut, dass kein Computer auf der Bühne war, sondern selbst die Bassläufe von einem der Keyboarder live gespielt wurden. Auch die Vocoderstimme bei „Catch me I‘m falling“ wurde live eingesungen. Eventuell kam auch mal eine Spur vom Sequenzer, aber wenn, hat man es nicht gemerkt. Das Highlight war natürlich David Sterry, der nicht nur perfekt sang, sondern auch noch extrem sympathisch rüberkam und sehr kommunikativ war. Und das, obwohl das Bett nicht mal halb voll war. Er hatte wirklich Spaß auf der Bühne. Toller Typ! 

Leider konnte ich keine Setlist finden, aber aus dem Kopf war es etwa so:
Flame
Burning Blue
Exploding Bullets
Heartland
Always
Under the hammer
Catch me I‘m falling
Face to face
Beautiful Monster
God tonight
Babies
Send me an Angel
Dream on

Es kann sein, dass die Reihenfolge nicht ganz stimmt und ich einen Titel vergessen oder verwechselt habe, aber alles in allem war es in etwa so.
Dabei ist zu erwähnen, dass es fast das ganze Album „Heartland“ war, 3 Titel vom zweiten Album „Flame“, 1 vom vierten Album „Lifetime“ und nur 2 vom aktuellen Mini-Album „Sirens“. Kein einziges schlechtes Lied, einige Gänsehaut-Momente bei Burning Blue und echt gute Stimmung.

Wenn man wirklich unbedingt was zum Meckern sucht, dann könnte man sagen, dass knapp 70 Minuten für 40€ recht kurz war. Allerdings gab es zumindest für die ersten 100 Gäste einen Gutschein zum kostenlosen Download des aktuellen Mini-Albums „Sirens“. Also muss man den Preis etwas relativieren, zumal der Flug aus Australien auch nicht gerade billig sein dürfte...

Toller Start ins Konzert-Jahr 2020 👍🏻













Konzert 2019.25: Midge Ure & Band Electronica

14.12.2019; Stahlfabrik Düsseldorf
Support: Tiny Magnetic Pets

Ja, ich weiß: Midge Ure habe ich doch schon gefühlte 1.000mal gesehen und Düsseldorf ist weit weg. Aber es gab 2 gute Gründe, den langen Weg auf mich zu nehmen: Die hervorragende Vorgruppe und das Thema der Tour. Er zelebrierte das Jahr 1980. Und zwar mit 2 ganz besonderen Platten, an denen er maßgeblich mitwirkte: „Vienna“ von Ultravox und „Visage“ von Visage. Aus diesen beiden Alben sollte sich also die Setlist zusammenstellen. Das ist nicht nur außergewöhnlich, weil die beiden Alben geniale Meilensteine sind, sondern auch, weil es die beiden allerersten LPs waren, die ich mir je kaufte. Begeistert von den jeweils enthaltenen Hits „Fade to grey“ und „Vienna“ wollte ich damals mit gerade mal 12 Jahren mehr von dieser futuristischen Musik kennenlernen. Auch wenn schon davor Jean-Michel Jarre, Kraftwerk, Popcorn oder Magic Fly von Space ähnliche Begeisterung auslösten, war es jetzt an der Zeit mein Taschengeld in Schallplatten statt in Lego zu investieren. Seitdem bin ich dieser Musik treu geblieben und ich danke meinen Brüdern für ihre Vorarbeit während meiner Kindheit, wo sie mich mit Musik von Pink Floyd, Supertramp, den Beatles oder Klaatu geimpft haben. Ende der 70er tönten dann auch noch Disco-Songs aus dem Nachbarzimmer...

Zurück nach Düsseldorf, was auch zweideutig zu verstehen ist, da hier die Wurzeln der deutschen Elektronikmusik liegt. Kraftwerk, DAF, Der Plan, Propaganda oder Rheingold erschufen hier ihre geniale Musik. Das Stahlwerk mit Bestuhlung zu erleben war eine grenzwertige Erfahrung, aber mein schwer ledierter Rücken war sehr dankbar. Obwohl die Bestuhlung eng und unpassend war. Das Ambiente der kultigen Location ging dadurch leider etwas verloren und einige Konzertbesucher waren sogar richtig genervt davon. Auch wenn die Stimmung bescheiden blieb, war der viel zu kurze Auftritt von Tiny Magnetic Pets eine gute Einstimmung. Feine zeitgemäße elektronische Popmusik mit vielen Zitaten aus den 80ern und einer sehr guten und süßen Sängerin. Top-Performance!






Dann begann die Zeitreise nach 1980 mit einer kleinen Rarität als Intro: Yellow Pearl. Es folgten einige Visage-Tracks, die zwar ohne Steve Stranges Stimme etwas unvollständig waren, aber durch die sehr gute Live-Umsetzung der Band Electronica trotzdem sehr stimmungsvoll. Die großen Überraschungen des Visage-Teils waren sicherlich Blocks on blocks und In the year 2525. wobei ich gerne noch Malpaso Man und Moon over Moscow gehört hätte. Trotzdem eine tolle Zeitreise. Die Titel des Vienna-Albums (vollständig in original Reihenfolge) klangen sehr nah am Original und begeisterten mich mehr, als seinerzeit die Umsetzung der „Return to eden“ Tour, wo leider nicht das ganze Album „Rage in eden“ gespielt wurde, das ich ja eigentlich sogar noch besser finde. Trotzdem rechne ich es sowohl Ultravox, als auch Midge Ure sehr hoch an, dass bei beiden Touren sehr viel Wert darauf gelegt wurde, die Stimmung und den Sound der Originalproduktionen möglichst gut einzufangen. Trotzdem kam die Musik nicht aus dem Computer, sondern es wurde so ziemlich alles live performt, was durchaus nicht selbstverständlich ist. Mein persönliches Highlight war dann „Passionate Reply“, was ich noch nie live gehört hatte. Weder von Midge Ure, noch von Ultravox. Der rare Song war 1981 die B-Seite der Single „Vienna“ und für mich schon immer einer meiner 3 Lieblingssongs von Ultravox. Als der Song angestimmt wurde, musste mich mein Nachbar erstmal zwicken, weil ich dachte ich träume...

Die Reise nach Düsseldorf hat sich auf jeden Fall absolut gelohnt und ich kann das Programm „1980“ von Midge Ure jedem Fan empfehlen. Aber auch wenn es als Zugabe neben dem genialen „The Voice“ dann noch die Hits „Hymn“ und „Dancing with tears in my eyes“ gab, ist das Konzert eher nur was für Hardcore-Fans. Die großen Hits waren ja auf Vienna (von Vienna abgesehen) nicht enthalten...