Freitag, 13. Dezember 2019

Konzert 2019.24: Andreas Dorau

11.12.2019, Moussonturm Frankfurt
Support: Bernd Begemann und die Befreiung

Andreas Dorau wollte ich mir nach den letzten Konzerten eigentlich nicht noch einmal anschauen, aber da ich das Konzept mit den 3 Alben ganz witzig fand und zur Zeit viel Zeit habe, bin ich halt doch mal hingefahren. Zum Konzept: Das Konzert ist aufgeteilt in 3 Teile, die jeweils ein Album als Thema haben (siehe Setlist am Ende des Posts). Die 3 Alben sind das erste Album, ein Mittleres und das Neuste. Als Verstärkung waren die Marinas dabei, die schon 1982 "Fred vom Jupiter" geträllert haben. Die Besonderheit des neuesten Albums ist, dass es aus 44 kurzen Liedern besteht, die wiederum nur einen Refrain beinhalten. Also kein Intro, Outro oder Strophe.

Soweit so gut. Leider war die Umsetzung dann sehr langweilig. Mal wieder das übliche Problem: Auf CD elektronisch, live uninspiriert mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Der Keyborder war nur als Alibi auf der Bühne. Letztlich hat der nur ab und zu ein Playback gestartet und dann gelegentlich, immer mit dem gleichen langweiligen "Theremin-Sound", kurz in den Pausen rumgewurschtelt. Völlig sinnbefreit und unkreativ.

Herr Dorau wirkte auch sehr gehetzt. Man hatte das Gefühl, er wolle den Abend möglichst schnell vorbei bekommen. Ich glaube auch, dass unsere Setlist kürzer war, als die Anhängende, die vom Konzert in Hamburg stammt. Für Frankfurt habe ich leider keine Setlist gefunden.

Als die Marinas dann eigentlich auf die Bühne kommen sollten, fehlten 2 Damen. Sie waren wohl irgendwo eingeschlossen und kamen dann 10 Minuten später. Wir fanden das eigentlich ganz witzig, aber der Chef wirkte etwas genervt. Insgesamt waren die 3 Marinas dann trotzdem das Highlight des Abends, da sie sichtlich Spaß beim Singen und Tanzen hatten.

Mir reicht es jetzt erstmal mit Andreas Dorau.
Achja, Bernd Begemann habe ich mir nicht angetan. Bin beim ersten Lied rausgegangen. Ich kann mit der Hamburger Schule leider nix anfangen...











Donnerstag, 12. Dezember 2019

Konzert 2019.23: Heaven 17

8.12.2019, Das Bett; Frankfurt

Das letzte Konzert von Heaven 17 hatte mich ja ziemlich umgehauen. Nicht nur, weil Glen Gregory ein geiler Sänger ist, sondern auch weil die Band zurück zu ihren elektronischen Wurzeln gefunden hat und auf etwaige "verrockung" ihrer Musik verzichtet. Und natürlich, weil Martyn Ware noch heute (mit Recht) stolz auf seine frühen Human League-Arbeiten ist und man immer wieder in den Genuss alter HL-Songs kommt. Das letzte Mal gab es sogar unter anderem meinen absoluten Lieblingssong "The black Hit of Space" live. Der Ticket-Kauf war für mich also alternativlos.

Da es kein aktuelles Album gibt und das Thema der Tour "Fascist groove thang" (Single von 1981) ist, konnte man also ein "Best of" erwarten. Im Großen und Ganzen war es das dann auch, aber trotzdem hielt sich meine Begeisterung sehr in Grenzen. Zum Einen, weil mir die beiden dominanten Background-Sängerinnen etwas zu extrem waren und zum anderen, weil die Musik etwas belanglos klang. Die Sounds waren uninspiriert und gleichtönig. Ausnahmen waren die 3 Human League Titel Circus of death, Being Boiled (Album Version!) und You've lost that loving feeling. Hier wurden zum Glück original Sounds verwendet und Glen klang fast wie der Human League Original-Sänger Philip Oakey.

Mir wurde dann auch wieder bewußt, warum ich die ersten beiden Human League Alben (Reproduction und Travelogue) bis heute zu meinen absoluten Lieblingsalben zähle, während ich Heaven 17 immer nur durchwachsen fand. Dazu muss man natürlich wissen, dass die H17 Gründer Martyn Ware und Ian Craig Marsh auch die Gründer von Human League waren und auch jeweils maßgeblich für Songwriting und Sound verantwortlich waren. Nachdem sich 1980 die Wege getrennt haben, konzentrierten sich H17 mit neuem Sänger Glen Gregory auf die Inszenierung des Gesangs, während die andere Hälfte von Human League (Phil Oakey und Adrian Wright) am perfekten Pop-Album (DARE!) bastelten. Es entstanden tatsächlich 2 neue eigenständige Bands, die leider beide nicht mehr so klangen wie zuvor. Deutlich wird der Unterschied, wenn man die beiden größten Hits der Bands vergleicht. Der cleane Synthpopsound von "Don' you want me" (Human League) und dem funkig/souligem "Temptation" von Heaven 17.

Während Human League aber heute konsequent live keinen einzigen Song der beiden ersten Alben spielen (Ausnahme: Being Boiled), geben Heaven 17 im März sogar jeweils ein Konzert in London und ihrer Heimatstadt Sheffield, bei dem ausschließlich die beiden ersten Human League Alben komplett gespielt werden sollen (ich bin natürlich dabei ;-)). Umso erstaunlicher, dass Heaven 17 so leidenschaftslos beim Sound ihrer eigenen Hits sind...

Genug Ballastwissen. Das Konzert war zwar sehr kurz, aber insgesamt OK. Vor allem, weil Glen Gregory super war und die Human League Songs echte Highlights waren. Glen hat sich bei mir auch ein Sternchen verdient, als er sehr begeistert erzählte, dass er schon immer ein großer Human League Fan war. Hätten sich die Sängerinnen etwas zurück genommen und hätte Martyn Ware etwas mehr Wert auf die Sounds gelegt, hätte es super werden können. Vielleicht war aber auch immer Ian Craig Marsh für den Sound zuständig und der ist 2006 leider überraschend ausgestiegen.

Achja, das David Bowie Cover hätte ich nicht gebraucht...









Konzert 2019.22: OMD

6.12.2019, Jahrhunderthalle Frankfurt
Support: Welle:Erdball

Keine Ahnung, das wievielte OMD-Konzert das für mich mittlerweile ist, aber das Dutzend dürfte mittlerweile voll sein. Da es dieses Mal um 40 Jahre OMD ging und ein "Best of" zu erwarten war, wäre ich beinahe nicht hingegangen. Die Hits habe ich nun wirklich oft genug gehört und einige der Singles mag ich nicht einmal (z.B. Forever live and die oder Souvenir). Als ich mir das dazugehörige Album angeschaut habe, hoffte ich dann auf ein paar der selten gespielten Singles (z.B. Telegraph, Red Frame/White Light oder la femme accident) und bestellte Tickets. Zumal OMD für mich zu einem der besten Live-Acts des Genres Achtziger zählt und ich noch nie enttäuscht wurde.

Aber fangen wir mit der Vorgruppe an. Eigentlich hatte ich Tiny Magnetic Pets erwartet, auf die mich sehr gefreut hatte. Als ich dann Welle:Erdbal erkannte, war ich erstmal überrascht. Ich finde die zwar ganz unterhaltsam, aber musikalisch ist da live nicht viel zu bewerten, da eigentlich außer dem Gesang nix live kommt. Trotzdem war es sehr kurzweilig, da die Performance der deutschen Retro-Romantik-Songs teilweise fast schon Musical-Charakter hat.






Bereits das Intro von OMD hat mir dann bestätigt, dass ich dabei sein musste: Während ein Dazzle Ships Medley läuft, werden diverse Cover-Artworks der letzten 40 Jahre eingeblendet. Dann geht das ganze über in Stanlow (hab ich glaube ich noch nie live gehört, da es ein einfacher Album-Track von 1980 ist). Während ich meine beiden Hasslieder "Forever Live and die" und "Souvenir" ertragen musste,  wurden mir meine Wunschtitel "Red Frame/White Light", "La femme accident" und "Telegraph" leider verwehrt. Als Ersatz fanden dafür überraschenderweise das geniale "Almost" und "Statues" (beides keine Singles) ihren Weg auf die Setlist, die damit wirklich sehr gut war.

Und dann natürlich Sänger Andy McCluskey, der wie immer hervorragend gelaunt mit dem Publikum und der Band interagiert hat. So viel Spaß habe ich selten auf der Bühne gesehen. Er hat schon fast Comedian-Talent bewiesen, als er sich über die T-Shirts des Publikums ausgelassen hat. John Lennon und David Bowie seien ja OK, aber "DURAN DURAN"?????
Oder als er feststellte, dass das Publikum im Innenraum rechts seinen Kollegen Paul Humphries ja gar nicht sehen könne, da der Vorhang nicht richtig aufgezogen sei. Er verschob dann den Vorhang und forderte Paul auf, den Fans zu winken. Sehr sympathisch und unterhaltsam. Sein Gesang war natürlich wie immer extraklasse. Also mal wieder ein geiles OMD-Konzert. Ich werde auch das nächste mal wieder dabei sein...

















Konzert 2019.21: Night of the Proms

4.12.2019; Festhalle Frankfurt

Man kann es mittlerweile fast Tradition nenn, dass wir in einer netten Runde im Dezember in die Festhalle reisen um uns die Mischung aus Pop und Klassik anzuschauen. Dieses Jahr fehlten mir persönlich zwar Highlights wie in den vergangenen Jahren (z.B. OMD, Midge Ure, Bryan Ferry, Marian Gold oder Tony Hadley), aber Alan Parson, Hooters und Earth, Wind & Fire sind schon auch OK. Nicht zu vergessen John Miles, der ja jedes Jahr als Highlight „Music“ um Besten gibt (was ich übrigens gerne mal auf meiner Beerdigung hören würde).

Die kanadische komödiantische Sopranistin Natalie Choquette war einer der typischen angenehmen Überraschungen, die man garnicht so erwartet. Die Song-Auswahl war insgesamt wieder sehr interessant. Neben den genannten  3 Top-Acts muss man auf jeden Fall auch Carmina Burana, Schwanensee und Bohemian Rhapsody (gesungen von John Miles) als Highlights nennen. Es war wieder ein sehr schöner Abend mit etwas anderer Musik, als ich es normal gewohnt bin.









Montag, 21. Oktober 2019

Konzert 2019.20: Sisters of Mercy

17.10.2019, Schlachthof Wiesbaden
Support: A.A. Williams

Sisters of Mercy beeindrucktes mich bei ihren ersten 3 EPs mit der Mixtur aus der tiefen diabolischen Stimme und dem sound der effektbeladenen Gitarren, Bässen und der Drum Machine. Leider hatte ich nie geschafft, die Band live zu sehen, was ich unbedingt nachholen wurde. Leider war der Zenith der Band in meinen Augen bereits nach oder sogar mit dem Erscheinen des ersten Albums First and last and always überschritten, da der Sound immer mehr klassische Rock-Elemente beinhaltete. So war es nicht wirklich überraschend, dass ich mir wie bei einem Iron Maiden Konzert vorkam. Wobei die deutlich melodischer sind. Selbst die gute Titel wie Alice, Marian oder Temple of love waren viel zu rockig. Ich war nicht nur enttäuscht vom rockigen und undüsterem Sound, sondern vor allem von der viel zu leise abgemischten Stimme von Andrew Eldritch. Wobei das vielleicht Absicht war, denn gut gesungen hat er nicht gerade. Der langhaarige Headbanger-Gitarrist war in meinen Augen auch ein Problem. Unnötig zu erwähnen, dass mir auch die Setlist nicht gefallen hat...

Zusammengefasst: Eine Band, die ich unbedingt mal live sehen wollte, habe ich nun live gesehen (wobei gesehen bei dem Nebel übertrieben ist). Brauche ich nicht nochmal. Auf der Heimfahrt habe ich dann lieber Eldritchs geniales Soloprojekt Sisterhood angehört...

Achja: A.A.Williams als Vorgruppe war wenigstens schön gruftig. In den 80ern hätte ich den düsteren, depressiven Sound geliebt, heute weckt er noch schöne Erinnerungen an frühe Cure-Werke oder an Joy Division...











Konzert 2019.19: Nouvelle Vague

7.10.2019, KUZ Mainz
Support: La Feline

Als ich vor ein paar Jahren das erste Mal Novelle Vague hörte, traute ich meinen Ohren nicht. Es war This is not a love song als chillige Bossanova-Version auf einem Weinfest. Ich bemühe selten Shazam, aber hier wollte ich unbedingt wissen, was das ist. Noch auf dem Weinfest bestellte ich das erste Album und seitdem gehört es auch in mein DJ-Set bei jeder Veranstaltung, bei der es ein Essen oder einen Empfang gibt. ich bin ja eigentlich kein Fan von Cover-Versionen oder Remixen, aber die Hits aus der 80er Punk und Wave Szene von Dead Kennedys über Soft Cell und Depeche Mode bis hin zu Grauzone, interpretiert im Bossanova Stil, sorgte schon für viele lächelnde Gesichter. Auch mein eigenes. Ich fragte mich seitdem, wie das live wohl klingen mag, aber leider waren die Franzosen noch nicht allzu oft in Deutschland unterwegs und es wurde mir verwährt. Bis 2019.

Der Support-Act La Feline war eine schüchterne Französin, die schüchterne Musik machte. Sehr sympathisch und irgendwie sehr passend für Nouvelle Vague, die ebenfalls nicht gerade als Rampansäue auftraten. Es war insgesamt ein chilliger Abend, wobei uns leider der Überraschungseffekt etwas geraubt wurde, da die Setlist vor unserer Nase rumlag. Man konnte garnicht weggucken.

Mit mehr Keyboards auf der Bühne als Depeche Mode bei ihrer letzten Tour, überraschten sie mich mit teilweise relativ elektronischem Sound, womit ich garnicht gerechnet habe. In Verbindung mit der akustischen Gitarre, gelegentlich ein Harmonium und den Percussions der beiden Phantastischen Sängerinnen, ergab das eine spannende Kombination. Natürlich lebt die Band von den beiden sehr unterschiedlichen, aber wirklich guten Sängerinnen,  mal abwechselnd, mal gemeinsam, selbst deutsche Texte wie Eisbär toll interpretierten. Und sympathisch waren sie auch noch. Ein toller Abend.










Samstag, 19. Oktober 2019

Konzert 2019.18: New Order

5.10.2019, Philharmonie Gastein, München
Support: Stolen

In den 80ern konnte man mich durchaus als New Order Nerd bezeichnen. Kaum eine Band habe ich damals mehr gehört und gesammelt (außer Depeche Mode, Cure und Trisomie 21). Blue Monday halte ich bis heute für den besten Song, der ja geschrieben wurde und kaum ein Album drückte meine Seele besser aus als Power, corruption &lies. Eigentlich sogar bis heute. Als New Order in den 90ern immer belangloser wurde, ließ meine Begeisterung deutlich nach, aber bis heute nenne ich die Band als eine meiner größten Inspirationen und mich verbinden viele schöne Erinnerungen an ihre Musik.

Aus alter Liebe hörte ich regelmäßig mal in neue Veröffentlichungen rein und war meist in meiner Meinung bestätigt, daß die Band leider in die Belanglosigkeit abgedriftet war. Bis ich 2015 das bis jetzt letzte Album „Music Complete“ in die Hände bekam. Nicht nur, daß das Album zu alten elektronischpoppigen Wurzeln zurück führt und mir sehr gut gefällt: Ich halte es für das beste New Order Album überhaupt. Ob es daran liegt, daß nach vielen Band-Streitigkeiten und Umbesetzungen nun bis auf Peter Hook wieder alle vereint sind, kann ich nicht beurteilen, aber der Verdacht liegt nah. Da ich die Band trotz meiner großen Verehrung leider erst einmal live gesehen habe (1989 in Düsseldorf), war es also Zeit für ein weiteres Konzert. Leider war die Band nicht allzu oft in Deutschland unterwegs oder ich habe es einfach nicht mitbekommen, aber erst jetzt, also 4 Jahre nach Veröffentlichung des letzten Albums wurden aus dem Nichts 2 Termine in Deutschland angekündigt. Zur Auswahl standen Berlin oder München. Zeitlich war München passender, also stand die Entscheidung fest. Auf nach München (trotz parallel laufendem Oktoberfest und Bayern München Heimspiel).

Die Location ist Vergleichbar mit der alten Oper. Also sehr gediegen und ausschließlich Sitzplätze, aber gute Akustik und selbst auf den AdW-Plätzen relativ gute Sicht. Los ging es mit der chinesischen Elektro-Combo „Stolen“, die Mark Reeder persönlich auf der Bühne vorstellte. Die Band sollte man im Auge behalten, denn die Mischung aus Techno und Geschrammel macht durchaus Laune und die Videos mit vielen zur Musik synchronisierten technischen Screens (z.B. virtuelle Synths, Equilizer, Imdustriemaschinen) waren faszinierend. Musikalisch haben mir leider ein paar schöne Melodien gefehlt, aber es war trotzdem sehr kurzweilig.






Schon beim Intro vom Haupt Act flashte mich die riesige Leinwand im 32:9 Format. Schwerelos flogen zum instrumentalen Intro Menschen durch die Luft (Turmspringer). Als die Band dann auf die Bühne kam, ging das Pop-Spektakel los und es fällt einem schwer zu glauben, daß das letztlich immernoch die Band sein soll, die Ende der 70er Jahre als Joy Division mit dem Rücken zum Publikum schüchtern Songs über Selbstmord gespielt hat. Wobei Sänger Bernhard Sumner bis heute weder ein großer Sänger, noch ein extrovertierter Entertainer ist. Aber genau das mag ich bis Heute an der Band: Sie lassen sich nicht gerne persönlich feiern, sondern stellen ihre Musik in den Mittelpunkt. Für die Show ist eine geile Lightshow und vor allem die super Visuals verantwortlich. Unter anderem gab es verfremdete Ausschnitte der Videos oder auch Auszüge von Mark Reeders Film B-Movie (Übrigens sehr zu empfehlen) zu sehen. Musikalisch gab es relativ viele Tracks vom letzten Album und eine gut ausgewählte Mischung der Klassiker. Natürlich fehlen immer viele tolle Titel, wenn eine Band auf so einen großen Backcatalogue zurückgreifen kann, aber Leave me alone, Blue Monday, True Faith und Bizarre Love Triangle waren schon genug, um mich zu begeistern. Man merkte der Band zwar an, daß sie keine begnadeten Live-Musiker sind, aber immerhin kam so ziemlich alles live und nicht vom Computer. Umso erstaunlicher, daß die Songs ihre Integrität behalten konnten und nichts „verrockt“ wurde...

Neben den Hits und den visuellen Highlights waren sicherlich die Zugaben das Highlight des Abends, als auf der überdimensionalen Leinwand groß Fotos von Ian Curtis abgebildet wurden und Joy Division durch die Songs Love will tear us apart und Atmosphere gefeiert.  BALLASTWISSEN: Ian Curtis war der Sänger von Joy Division, der sich 1980 erhängte, was zur Folge hatte, daß der Rest der Band New Order gründete.




























Sonntag, 15. September 2019

Konzert 2019.17: Boytronic

7.9.2019, Orwohaus Berlin
Support: Distain!

Der eigentliche Grund warum ich nach Berlin gereist bin, war dieser legendäre abend. Legendär, egal wie es werden würde, denn eine meiner größten musikalischen Inspirationen trat tatsächlich wieder live auf. Zwar „nur“ mit Original Sänger Holger Wobker, aber genau das ist das Besondere. Jahrelang gab es Streit um die Namensrechte der Band und es traten zuletzt diverse andere Künstler unter dem Bandnamen auf. Zuletzt tourte Boytronic mit dem Sänger und „Britalo-Disco-Fan“ James Knights durch Deutschland und interpretierten in erster Linie Titel des legendären Debuts „The working model“ inkl. der Hits You, Diamonds and loving arms, Luna Square oder Man in a uniform vom nahezu genauso genialen zweiten Album „The continental“. Das Konzert damals war garnicht mal schlecht, aber es fehlte halt die Stimme von Holger Wobker.

Es schlug bei den Fans ein wie eine Bombe, als Holger Wobker verkündete, dass er mit Hilfe der Musik-Crowdfundingplattform Pledge, an einem neuen „echten“ Boytronic Album arbeiten würde. Und zwar zusammen mit James Knights. Auch Live-Konzerte kündigte er an. Natürlich stürzte ich mich sofort auf Pledge um dieses Projekt zu unterstützen. Ich „kaufte“ die signierte limitierte CD des Albums „The robot threatment“, die im Frühjahr 2019, begleitet von einer Tour, erscheinen sollte. Dann kam die Hiobs-Botschaft: Pledge ist pleite und alle Künstler und Fans haben ihr Geld verloren. Kurze Zeit musste man bangen, ob das ganze Projekt nun scheitern muss. Zum Glück verkündeten Holger und James, dass sie das Album trotzdem machen und Anfang September 2019 mit einer „Releaseparty mit Konzert in Berlin“ erscheinen soll. Da keine Rede mehr von Tour war, musste ich da hin. Also habe ich direkt Tickets gekauft.

Das neue Album kam dann ca. 1 Woche vor dem Konzert raus und ich möchte hier noch eine kurze Rezension loswerden. Durch die Mitwirkung von James Knights, war zu erwarten, dass seine Einflüsse im Italo Disco Style einfließen würden. Für meinen Geschmack allerdings etwas zu sehr. Das melancholisch/aggressive, das die markante Stimme und den Sound von Boytronic ausgemacht hat, wich einem unbeschwerten Italodisco Pop. Das Album ist gut und ich freue mich Holgers Stimme wieder zu hören, aber es ist nach den bereits genannten genialen Wobker-Werken aus den Achtzigern und dem dusteren 2002 erschienen Hammer-Wobker-Comeback „Autotunes“ einfach etwas flach und belanglos. Zwar ist kein Song auf dem Album schlecht, aber es sticht auch kaum einer richtig heraus.

Insofern hoffte ich natürlich auf möglichst wenige neue Tracks und auf viele alte Werke. Nach der etwas enttäuschenden Live-Darbietung von Propaganda am Vorabend, war ich nun sehr gespannt darauf, was die beiden Jungs live machen würden. Ich hatte es nämlich so verstanden, dass sie eigentlich nicht mit Computern und virtuellen Synths arbeiten, sondern nur mit „echten“.

Zunächst aber zur inzwischen auf ein Duo geschrumpften Vorgruppe Distain!, die ich ebenfalls sehr mag und die ich noch nie live gesehen hatte. Und das, obwohl ich alle ihre Alben habe (inzwischen immerhin 9 oder 10 Stück) und ich sie für eine der besten deutsche Synthpop-Bands der letzten 20 Jahre halte. Besonders die ersten 3 Alben habe ich seinerzeit rauf und runter gehört. Entsprechend glücklich war ich also üner die perfekte Song-Auswahl mit sehr vielen Stücken dieser alten Meisterwerke. Auch wenn man mal wieder nicht sicher sein konnte, ob der Keyboarder hinter dem Laptopop irgendetwas musikalisches tut oder seinen Facebook-Account pflegt, war der Auftritt sehr gut. Das lag vor allem an den beiden Sängern, die abwechselnd, bzw. oft gemeinsam im Duett, sehr gut unterhalten haben. Der Auftakt war also schonmal sehr gut...







Dann war es endlich so weit: Das Intro ertönte. Ich meine X-Rated phonecalls rausgehört zu haben (B-Seite von der 84er Single Man in the uniform).
Es betraten neben den Herrn Wobker und Knights 1 weiterer Protagonist die Bühne. Während James damit beschäftigt war, die ursprünglich weiblichen Backingvocals zu performen und dabei einen Plastikbecher festzuhalten, musste der unbekannte Dritte eigentlich alles machen, was irgendwie mit der Musik zu tun hatte. Das tat er relativ gut und ich glaube, er hat sogar relativ viel live gemacht. Ein weiterer Keyboarder hätte dem ganzen allerdings sehr gut getan. Und Holger Wobker? Tja, was soll ich sagen: Er ist kein begnadeter Sänger, aber seine Stimme und seine Präsenz ist beeindruckend. Und wenn ich jetzt sage, dass er wie eine absolute Obertunte tanzt und singt, meine ich das nicht negativ, sondern sehr respektvoll, da es authentisch ist. Hin und wieder vergaß Holger seinen Einsatz oder seinen Text und er wirkte extrem nervös. Aber er war seeehr sympathisch und man merkte, daß er trotzdem viel Spaß auf der Bühne hatte. Und das sprang auch aufs Publikum über...

Leider finde ich keine Setlist im Netz, aber ich kann mich an folgende Songs erinnern: Tonight, Man in the uniform, You, Trigger Track, Diamonds and loving arms, Red Chips, Luna Square, Recycled, I want to live in harmony und vom neuen Album all you can eat, she gave me money, Venus covers Mars, No sad songs, Smell of fire + 1, an das ich mich genau erinnere. Für meinen Geschmack also zuviel neue Titel und einige wichtige „Alte“ fehlten. So hätte ich gerne noch Hurts, Latenight Satellite, Hold On, Forever, Photographs und etwas vom Album Autotunes (z.B. The Wire, In die Dunkelheit, How soon oder a song for the lonely) gehört. Einer der 4 Tracks von „Maxi“ wäre natürlich der Hammer gewesen (z.B. Am Tag als der Regen kam). Aber OK, sie wollten natürlich das neue Material vorstellen, das live erstaunlich gut ankam. Ich fand die neuen Titel auch live deutlich schwächer als die alten Klassiker...

Ein Wort noch zu der Location: Ein Plattenbau mitten im Nirgendwo kurz vor Marzahn. Hier will ich weder tot überm Zaun hängen, noch nachts nach einem Konzert alleine zur nächsten S-Bahn-Station laufen. Trotzdem war es irgendwie cool. Aus den offenen Fenstern hörte man diverse Bands, die hier scheinbar einen Übungsraum haben. Es ist eine hervorragende Film-Location...