Sonntag, 16. September 2012

Work Life Balance

Das ausgerechnet ich dieses Thema anspreche, könnten Leute die mich kennen als schlechten Scherz ansehen. Auch wenn meine WLB alles andere als ausgewogen ist, ist das nicht der Primäre Anlass für diesen Post. Tatsächlich regt mich dieser Modebegriff extrem auf. Ähnlich, wie übrigens "Burnout". Warum? Sicherlich nicht, weil es inhaltlich gesehen falsch wäre. Im Gegenteil: Natürlich stimmt das alles. Ich kann ein Lied davon singen. Selten habe ich eine Woche unter 50 Arbeitsstunden (von denen nur 38,5 std.) bezahlt werden. Teilweise geht die Stundenzahl bis auf 60 oder 64 hoch. Freizeitausgleich gibts da auch nicht. In diesem Zusammenhang freue ich mich natürlich, dass dieses Thema nun etwas präsenter ist.

Was mich nun ärgert ist die Tatsache, dass dieses Phänomen in einigen Branchen alles andere als neu ist. In der Werbung z.B. ist das seit eh und je normal und so lange man als Werber noch "cool" war und auch gutes Geld verdient hat, war das für alle OK. Mittlerweile hat die Branche allerdings ihren Glamour verloren. Werbung nervt im allgemeinen und die Firmen haben alle ihre Werbe-Etats drastisch reduziert. Außerdem funktionieren die großen Agenturnetzwerke nur noch, weil man bescheidene Gehälter zahlt und auf kostenlose Überstunden der Mitarbeiter setzt. Ansonsten wären die unrealistischen Zielvorgaben und die hohen Kosten für die riesigen Wasserköpfe überhaupt nicht mehr zu finanzieren.

Zurück zu meinem Ärger: Die Branche ist selbst Schuld! Ebenso die Ärzte, die Architekten und die Bänker! So lange man einen coolen Status hatte, hat man alles akzeptiert. Die Branchen haben sich freiwillig in diesem Umfeld entwickelt und nun wird gemeckert! Und genau dieses Gejammere nervt mich. Wenn wir das alle so schlimm finden, zwingt uns keiner dazu das mitzumachen! Wir müssten uns in Betriebsräten und Gewerkschaften organisieren um uns dagegen zu wehren, aber das ist den "Coolen" dann scheinbar zu "bürgerlich" und zu sehr "Arbeiterklasse". Deshalb erfindet man also neue Yuppi-Begriffe wie Burnout und WorkLifeBalance um diese dann standesgerecht mit einem Therapeuthen zu lösen!

Andere Branchen hatten früher Stress und zu viele Überstunden. Also genau das gleiche Problem. Die Arbeiter sind auf die Strassen gegangen, haben Gewerkschaften gegründet und haben für vernünftige Arbeitsbedingungen gekämpft. Die Generation Golf hat dafür keine Eier in der Hose und versteckt sich hinter diesen neumodischen Begriffen.

Das ist es, was mich aufregt: Wenn ihr zu wenig Freizeit habt und eure Lebensqualität leidet, dann tut etwas dagegen und versteht euch nicht als Opfer eurer Umwelt und erfindet keine neudeutschen Begriffe, die euch wieder "cool" darstehen lassen. Sagt halt "Ich hab Rücken" oder "ich bin kaputt und muss ins Bett"...

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