Dienstag, 7. September 2021

Auf der verseuchten Insel: Tag 4

Heute nach dem Frühstück klopfte es an meiner Tür: Mein „Tag2 Test“ ist da. Am Tag 4. Naja, wahrscheinlich interessiert es hier eh niemanden in England. Wenn doch, wäre ich sehr überrascht, denn in der Praxis interessiert sich hier niemand für die Einhaltung irgendwelcher Regeln. Selbst wenn es welche gibt. Aber nicht schon wieder dieses Thema…

Ich hab den Test brav gemacht und eingesendet. Da es nun direkt nach dem Spreader-Event im Roundhouse stattfand, hoffe ich mal auf die Wirksamkeit der Impfung und der Maske. Das Ergebnis erhalte ich dann ja erst zu Hause.






Danach begann ich einen gechillten Tag. Als erstes ging es zu Fuß in die Berwick Street zu 2 der wenigen noch heute existierenden Plattenläden aus den goldenen Achtzigern: Sister Ray und Reckless. Ein par wenige „sehr spezielle“ Platten hab ich dann auch noch gekauft. 







Ich hab mich dann in irgendeinen leeren Bus gesetzt und bin mal losgefahren. Nachdem ich ab dem Picadilly Circus eigentlich nur noch im Stau stand und dann der Bus immer voller wurde, änderte ich meinen Plan: Ich wollte ans Wasser und dort was trinken. Da in London bekanntermaßen ein Fluss durchfließt, sollte das ja nicht so schwierig sein, oder? Oder doch! Irgendwie gibt’s am Themse-Ufer zwar Autobahnen, Schulen, Museen, Hochhäuser, Riesenräder, Kirchen, Brücken, Piers, Alte Gemäuer und zugepflasterte Plätze, aber Cafés? Fehlanzeige. Wenn überhaupt, dann eher auf der Südseite. Da wurde ich dann auch fündig. Interessanterweise übrigens genau dort, wo wir 2018 auch gelandet waren. Kann das Zufall sein? Oder eher ein Mangel? Vielleicht sollte ich ein Café an der Themse aufmachen…

































Wahrscheinlich hätte ich etwas mutiger sein sollen und mich weiter in den Osten der Stadt vortasten müssen. Aber irgendwie hatte ich da alleine keine Lust zu. Apropos Lust: Nach dem leckeren Bier bekam ich Lust auf eine neue Jacke und nostalgische Gefühle für Camden. Ich fuhr also nochmal nach Camden, um bei 28° nach einer Jacke zu suchen. Zum Glück fand ich keine, denn die hätte ich Morgen bei 30° bei der Heimreise anziehen müssen. Ich hab ja nur Handgepäck und das sprenge ich wahrscheinlich bereits mit Platten und Büchern. 😬🙈🤔











Hier waren übrigens früher die coolen Stände unter Wellblechdächern. Es roch nach Gras, selbstgemachter Seife und Räucherstäbchen. Man hörte Punk, Sithars, Didgeridoos, Reggae, später Goa-Techno. Kaufen konnte man selbstgebastelte Lampen, Schmuck, Klamotten, Mixtapes, Bootlegs und allerlei Krimskrams. Heute gibt’s hier im stylischen Neubau einen Starbucks, Sushi, vegane Burger, Cocktails, Designermode, Schmuck in Glasvitrinen, Kunstdrucke hinter Glas, „lustige“ T-Shirts aus China und einen Sicherheitsdienst… Tolle Weiterentwicklung!






Zurück zu Hause ging ich essen. Bei einem Griechen, dessen Konzept interessant klang. Ähnlich wie im Ela in Darmstadt werden eine Art „Tapas“ angeboten. Allerdings war es nicht so toll. Fettiges Fleisch, Saganaki ist hier in Honig gebackener Halloumi (also Gummi) und das griechische (zypriotische) Bier hat scheiße geschmeckt. Und im Tzaziki war nicht mal Knoblauch. Das schickt sich wohl auf der feinen Carlotte-Street nicht. Ich hab diesem Fraß nicht mal 1 Byte auf meinem iPhone gegönnt. Ich habe also kein Foto für euch. Apropos: warum schnecken sich englische Frauen eigentlich immer auf, als würden sie den Laufsteg oder den roten Teppich anpeilen, obwohl sie nur Essen gehen? Und dann sehen die meisten auch noch eher aus, als würden sie auf den Strich gehen, weil die Röcke viiiieeeeel zu kurz sind und das Make-Up viiiieeeel zu viel ist. Und dann treten die immer in Hühnerhaufen auf. Viiiieeel zu laut und peinlich.





Bin dann früh zurück ins Hotel, weil ich müde war. Hab ich schon erzählt, dass ich in meinem Puppenbett nicht gut schlafe? Bin ca. um 21:00 eingeschlafen und liege dafür jetzt seit 3:00 wach und schreibe Blog.



Vorteil eines rotzigen Single-Zimmers: Man macht sich keine Gedanken über Ordnung. Es gibt ja auch wegen Corona grad keinen Zimmer-Service. Auf einmal haben die Inselaffen doch eine Pandemie. Wenn sie Arbeit und Lohn sparen können…



Achja, heute ist was konisches passiert: In der V-Bahn von Camden ins Hotel war die MQ erstmals 100%!!!!
Wenn auch nur für 3 Stationen. Ich hab inzwischen auch verschiedene Ansätze für die Masken-Ignoranz:
  1. Eitelkeit. Bei dem MakeUp oder dem tollen Hipster-Bart versteckt man sich doch nicht hinter einer Maske 
  2. Nutzlosigkeit. Wenn, dann haben die meisten eh siffige Stofflappen im Gesicht, deren Wirkung gleich Null ist. Da denken sich wohl viele, dass man sich das eh sparen kann
  3. Beschaffungsprobleme. Ich habe hier in keinem einzigen Laden FFP2-Masken zu kaufen gesehen. Nachfrage regelt den Markt oder umgekehrt?
  4. Armut. Ich glaube tatsächlich, dass in London sehr viele Menschen leben, die es finanziell nicht einfach haben. Und dann wird die knappe Kohle eher in Bier, als in Masken investiert. Man hat eh nix zu verlieren.
  5. Dummheit. In London neigt man sehr zur Oberflächlichkeit. Da passt eine Pandemie nicht ins Weltbild. Rücksicht auf Gesellschaft? Welche Gesellschaft? Die Gesellschaft ist man selbst. Auch leben hier selten Generationen eng beieinander, sondern oft nur die Jüngeren.
  6. Liberalität. Hier läßt jeder jeden irgendwie in Ruhe leben wie er will. Ich habe keine einzige Grundsatzdiskussion oder Streiterei zum Thema Masken, Abstand oder Desinfektion erlebt. Jeder halt wie er meint.
  7. Evolutionär. London ist ein junge Stadt. Die Alten sind nicht schützenswert und die Jungen werden es überleben. Und wenn nicht, dann halt nicht. Natürliche Auslese wird hier als legitim erachtet.
Das sind teilweise Beobachtungen, aber auch Interpretationen von mir aus geführten Gesprächen und dem englischen Fernsehen (wo Corona quasi keine Rolle spielt).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen